Normalerweise wird als Ausgangspunkt für die Besteigung des Gran Paradiso die kleine Siedlung Pont
gewählt (1.960m, mit Hotel, großem Parkplatz, Campingplatz
und Besucherzentrum des Gran Paradiso Nationalparks). Sie findet sich am Ende
einer Strasse, die aus Introd im Aostatal heraufführt.
Mit mehr Zeit und der Absicht, sich zunächst etwas zu akklimatisieren, wäre eine Alternative als Start des Unternehmens den Col del Nivole (2.612m) zu wählen. Dieser Pass ist mit dem Auto über eine Asphaltstrasse von Ivrea über Ceresole Reale durch das Orcotal erreichbar. Dort könnte man zunächst entweder im Rifugio Savoia oder im Rifugio Citta di Chivasso (Club Alpino Italia – CAI), beide mit einwandfreier Küche und einfachen Zimmern, Station machen.
Es böte sich dabei an, einen der umstehenden Gipfel zu erklimmen und sich an die dünne Luft zu gewöhnen. Beispielsweise den Punta Basei (3.338m), erreichbar über den Col Basei (3.176m), ohne seinen kleinen Gletscher traversieren zu müssen. Heikel sind dabei die letzten Meter auf den Gipfelfelsen, da der Anstieg über die häufig vereiste Nordseite führt und das dort gelegene Fixseil lose herumbaumelt und wenig Vertrauen erweckt.
Bei Hochtouren gewinnt das Wissen über die zu erwartende Wetterlage eine noch größere Bedeutung. Hier die Website für das Wetter auf dem Gran Paradiso:Vom Col del Nivole zunächst über die Asphaltstrasse an den beiden Nivole-Seen vorbei – dort macht am Wochenende bei schönem Wetter ganz Torino Picknick - bis zu einer Schranke. Dahinter geht es dann auf einer breiten, befestigten Fahrstrasse weiter, die aber zunehmend enger und holpriger wird (alternativ dazu könnte man auch einen Weg nutzen, der im Talboden einem Bachlauf folgt). Beidseitig des Wegs tummeln sich zahlreiche, wenig scheue Murmeltiere. Schließlich erreicht man einen Erdwall und damit das Ende des Karrenwegs. Von diesem Punkt aus besteht ein eindrucksvoller Blick auf das östlich gelegene mächtige Gran Paradiso Massiv. Soweit sind geschätzt 6-7 km in leichter Wanderung ohne großen Höhenunterschied bewältigt.
Einige Meter vor dem Erdwall führt ein Steig steil rechts ab gute 500 Höhenmeter hinunter nach Pont und damit dürfen sich die Oberschenkel endlich auf ihren ersten richtigen Einsatz freuen oder auch nicht....Der Pfad führt erst auf den grasigen Talboden, überquert den Bach (Brücke) und windet sich dann vorbei an einigen reizvollen Aussichtspunkten und bei zunehmend dichter werdender Vegetation nach Pont. Zeitbedarf: Nivole-Pont ca. 2,5 Std.
In Pont gibt es
übrigens auch ein Self-service Restaurant, das im September nicht mehr
überlaufen ist und dessen Gerichte genießbar sind. Von Pont geht es nun zum
Rifugio Vittorio Emanuele II (RVE, CAI) endlich bergauf. Dazu folgt man, anfangs gemächlich ansteigend, einem ausgetretenen Weg etwa 1,5-2 Km nach Süden. Ein
niedriger Hochgebirgsmischwald sorgt zunächst für Schatten.
Schließlich wendet sich der Weg nach Osten und es wird deutlich steiler und die
Vegetation schütterer. Bald überschreitet man die Baumgrenze und in steinigen
Serpentinen windet sich der Pfad über 800 Höhenmeter zur Hütte. Vielleicht wird
man dabei von einem kleinen, drahtigen Mann mit seinem schwer beladenen Maultier
überholt, der die Versorgung der Berghütte und ihrer Gäste auf traditionelle
Weise sicherstellt. Von Pont aus etwa 2,5-3 Std.
Der RVE am höchsten Berg Italiens ist sehr gut unterhalten. Ungewöhnlich für
eine Alpenhütte und weithin sichtbar ist seine halbrunde silber-graue
Dachkonstruktion. Schlafmöglichkeiten bestehen sowohl in Zimmern - bei Glück
oder vorheriger Anmeldung - oder unter dem Dach in einem großen
Gemeinschaftsschlafbereich mit Matratzen dicht an dicht.
Von der Hütte geht der Blick unweigerlich nach Südosten über die Gletscher zu
den markanten Bergspitzen von Tresenta und Ciaforon, doch der Gran Paradiso
lässt sich noch nicht ausmachen.
Abends wird ein Menü angeboten und es ist immer wieder positiv überraschend, was die Küchen in Italiens Berghütten aus den naturgemäß beschränkten Ressourcen zaubern. Dieses Angebot zur Stärkung sollte nicht ausgeschlagen werden, denn mit einem reichhaltigen Frühstück am anderen frühen Morgen darf man nicht rechnen.
Gesamt: 1.450 Hm, 5,5 Std.
Die Nacht vor einer 4000er Gipfeltour ist üblicherweise ziemlich kurz. Denn früh morgens ist der dabei zu überquerende Gletscher noch fest und griffig. Außerdem ist die Zeitreserve größer im Falle von auftretenden Schwierigkeiten. So brechen viele Bergführer mit ihren Kunden schon um 4 Uhr oder sehr früh auf. Der Weg zum Gipfel führt von der Hütte in einem weiten Bogen in nordöstlicher Richtung bei nur mäßigem Höhengewinn über eine wilde Felsbrockenlandschaft. Die Idealroute ist bergauf bei Dunkelheit/ Dämmerung wie üblich nicht leicht zu finden. Doch bald erreicht man den Gletscheransatz. Nun kommen die Steigeisen zum Einsatz. Manche benutzen zusätzlich Teleskopstöcke. Die Bergführer seilen ihre Kundschaft an.
Zunächst führt die,
im Spätsommer häufig ausgetretene, Spur über den Gletscher geradeaus durch eine
Rinne, später dann in einer weiten Rechtskurve hinauf. Im Auslauf dieser
Rechtskurve findet sich das steilste Stück des Wegs, doch geschätzt keine 30°.
Bald wendet sich die Spur wieder nach Osten und leitet auf den Grat mit dem
Becca di Moncorvé zu, einer markanten Felsspitze. Nun öffnet sich der
Blickwinkel auch nach Süden hin mit seinem ganzen grandiosen Panorama. Vor
diesem Felsgrat zieht der Eisweg wieder nordwärts direkt auf den Gipfel des Gran
Paradiso zu. Die letzten Meter führen über eine in dieser Jahreszeit häufig
schneefreie Felsformation mit einem kurzen, schmalen, sehr ausgesetzten Stück
über der senkrechten Nordostwand des Massivs. An dieser Stelle sind Bohrhaken im
Fels befestigt zur Eigensicherung. Kurz darauf steht man neben einer großen Madonna auf dem höchsten
Berg Italiens und genießt die Aussicht. Für den Aufstieg sollte man mit 5-6 Std.
kalkulieren.
Gesamt: 2.600 Hm, 9 Std.
Rückkehr vom RVE über Pont zum Col del Nivole über den gleichen Weg.
Fazit: Bei guten Verhältnissen, Umsicht, entsprechender Ausrüstung,
Kondition und etwas Bergerfahrung sollte eine Besteigung des Gran Paradiso keine
Probleme bereiten.
Saison von Juli bis September.
Kartenmaterial:
KOMPASS, 1:50.000, Blatt 86
© Norbert Pohl