Überall in Deutschland und Europa werden neue Radfernwege angelegt oder bestehende ausgebaut. Entlang des Flusses Drau, der in der Nähe von Toblach (Dobbiaco) in Südtirol (Alto Adige) entspringt, verläuft schon seit langer Zeit ein Radweg. Dieser führt über mehr als 700 Km durch die Länder Italien, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn. Ziel des Wasserlaufs ist die Donau. Immer wieder wurde er verbessert und zusammen mit seiner wenig fordernden Wegführung, der zumeist hervorragenden touristischen Infrastruktur, wird er heute von vielen Radtouristen sehr hoch bewertet.
Die meisten Radler fahren den Drau-Radweg hinab und haben so weniger
Höhenmeter im Anstieg zu bewältigen. Wer hingegen von Frankfurt eine
Anreise mit der Bahn plant, nicht gern mit Rad und Gepäck umsteigen
wollte, konnte 2019 auf die direkte Verbindung von Frankfurt Hbf nach
Graz mit dem EC 219 setzen (Abfahrt 12:20). Fahrradmitnahme nach
Reservierung möglich. Diese Verbindung wird offenbar ab April 2020 nicht
mehr angeboten. Auf dem Weg nach Graz hält der Zug unter anderem auch in
Leoben (Ankunft 21:29). Dieser Ort liegt an der Mur und über den
reizvollen Murradweg kann Graz in einer Etappe erreicht werden. Von dort
sind es nur noch etwa 80 Km bis nach Maribor und dem Drauufer. Dann muss
man allerdings die Drau hinauf fahren.
Um sich die Tour möglichst leicht zu machen, wurde nur das Allernötigste mitgenommen. Das Gepäck wog insgesamt weniger als 10 Kg und passte in zwei Hinterradtaschen und eine Gepäckträgerrolle. Dafür ist eine wichtige Voraussetzung die Übernachtung nur in festen Unterkünften. Bis auf die erste Übernachtung in Leoben wurden aller Unterkünfte im Laufe des Anreisetages ausgesucht.
Nach dem Hotel Check-Out langsam über den malerischen Hauptplatz Leobens
und kurz etwas Proviant eingekauft. Den Wegweisern Murradweg folgend über
zwei Murbrücken schließlich an eine viel befahrene Hauptstraße. Ein herrlicher Sommertag, es geht mit leichtem Gefälle bergab und das Rad rennt fast wie von selbst. Schwups wurde der Abzweig links zurück an die Mur verpasst. In Bruck an der Mur führt der Radweg am Hauptplatz vorbei, wo der kleine Mittwoch-Markt zur ersten kurzen Pause einlädt. Hinter Bruck verläuft der Radweg auf der ruhigen, linken Seite des Flusses entlang, oft unter Bäumen. Dies ist ein besonders schöner Abschnitt des Murradwegs. Pause im blumigen Frohnleiten.
Rechtsseitig folgt der Radweg nun der Mur und in der Hitze des Nachmittags kommt der lauschige Fattingerhof in Kleinstübing für eine längere Rast genau zum richtigen Zeitpunkt (etwa bei Km 60). Gestärkt werden bald die ersten Vororte von Graz erreicht. Nach insgesamt 80 Km steht das Rad sicher in einem Nebenraum des Hotels Feichtinger im Zentrum von Graz, gute Wahl. Wenn dann noch etwas Kondition übrig ist, lohnt der Aufstieg auf den Schlossberg mit der eindrucksvollen Aussicht und Einkehrmöglichkeiten.
Graz verlassend ändern sich im Tal der Mur Landschaft und Vegetation. Ohne große Höhenunterschiede wird nun abwechselnd über Felder und durch lichte Auenwälder gefahren. Mal direkt am Flussufer, dann wieder in einiger Entfernung. Überall breitet sich das indische Springkraut aus und sein süßlicher Geruch liegt streng in der Nase. Ehrenhausen lohnt einen Halt. Kurz vor Spielfeld wird die Mur überquert. Hier sollen sich der Murradweg und der Fernradweg EuroVelo 9 kreuzen, der von der Ostsee (Gdansk) an die Adria (Pula) leitet. Dessen Beschilderung lässt allerdings zu Wünschen übrig. Kein Vergleich zur meist mustergültigen Wegweisung des Murradwegs.
Die slowenische Grenze passierend folgt man jetzt der Landstraße 437 nach Maribor. Nach einigen Kilometern biegt der Radweg rechts ab. Dann müsste zur parallel verlaufenden Autobahn hinauf gefahren werden, um ihr auf einem Nebenweg zu folgen. Auf der nicht sonderlich viel befahrenen 437 kommt der Radler aber auch ohne Stress voran. Kurz vor Maribor an einem unübersichtlichen Knotenpunkt vieler Straßen ist die Radwegführung unklar. Fünf Kilometer weiter und noch einmal über einen Buckel ist das lebendige Zentrum Maribors erreicht. Im Süden der Stadt findet sich das zeitgemäße Hotel Bajt. Inklusive aller Umwege und Abzweige waren am Ende 92 Km auf der Uhr.
Vom südlichen Rand Maribors über Hauptstraßen auf dem schnellstem Weg
raus aus der Stadt. Bei Laznica wird dann endlich der Drauradweg
erreicht. Auf diesem Teilstück, neu ausgebaut und gut beschildert, führt
der Radweg weiter nach Ruse und dort auf die hügelige Nordseite der
Drau. Auch hier ist ihm leicht zu folgen, aber mit diverser
Radwegbeschaffenheit.
Am Wasserkraftweg Fala ist man wieder unten am Flussufer und steht vor der Entscheidung, dem bezeichneten Drauradweg mit einigen Höhenmetern in die Berge zu folgen oder unten auf der kurvigen Staatsstraße 1 die knapp 16 Km bis Podvelka zu fahren. Dazu sollte man aber schon verkehrsfest sein und sich von den LKWs nicht abdrängen lassen. Zur Belohnung wird nach knapp 12 Km direkt an der Straße, aber einige Meter über der Drau gelegen, das Gasthaus (Gostilna) Sarman erreicht. Gutes Preis-Leistungsverhältnis und ein toller Blick auf den Fluss.
In Podvelka geht es wieder auf die andere, ruhige Seite des Wasserlaufs. Es folgt nun ein weiteres, landschaftlich wunderschönes Teilstück des Drauradwegs, durch Wald und an Feldern und Wiesen vorbei, oft auf Wirtschaftswegen mit unterschiedlichem Bodenbelag, wobei sich kurze, knackige Ansteige und Abfahrten abwechseln. Einige kleinere Orte liegen auf dem Weg. Wenig Verkehr. Nach etwa 65 Km und 700 Höhenmetern kommt man am Bahnhof in Dravograd vorbei. Fernab des Ortszentrums in einem Industriegebiet befindet sich das Hotel Korosica.
Hinter Dravograd verläuft der Radweg neben der Landstraße und bald ist Österreich erreicht. Der erste Ort hinter der Grenze ist Lavamünd. Dort biegt der Drauradweg links ab und überquert die Drau. Nächste herausragende Glanzpunkte dieser Etappe sind die Hängebrücke Santa Lucia und die Jauntalbrücke, die nur circa 1000m auseinander liegen. Gerade die Aussicht von der Jauntalbrücke (96m hoch) ist fantastisch.
Auf dem Ritt zum Völkermarkter Stausee müssen einige Hügel überwunden werden bevor die Abfahrt ans Seeufer folgt. Dort am Yachthafen lässt sich ein Imbiss einnehmen. Eine herrliche Fahrt am Nordufer des Sees folgt hinterher. Wer den Klopeiner See mit seinen Freizeitangeboten besuchen möchte, muss bei Tainach auf die Südseite der Drau wechseln. Einmal um den Klopeiner See zu fahren ist leicht. Jedoch ist das Seeufer überwiegend fest in Privatbesitz und deswegen gar nicht oder nur gegen Eintritt zu betreten. In Oberseidendorf in der Pension „Zur Blume“ lässt sich abseits des Trubels ruhig schlafen. Insgesamt: 70 Km.
Auf dieser Etappe erstreckt sich der Radweg fast immer direkt an der Drau und in den Gebieten, wo sich der Fluss zu einem Stausee ausbreitet auch oben auf dem Damm. Dort auf einer festen wassergebundenen Decke (feiner Schotter), die aber wegen der herrschenden Trockenheit leicht befahrbar war. Mittagspause in Suetschach.
Zwischen Emmersdorf und Föderlach geht es kurz über eine Forststraße durch den Wald. Da bedrohliche Cumulus-Wolken von Norden über die Berge nach Kärnten ziehen und die Vorhersage von einer nahenden Schlechtwetterfront spricht, muss jetzt etwas schneller zum Zielort Villach geradelt werden. Die ersten Regentropfen fallen bereits als in Warmbad im Süden Villachs das Hotel Fürstenhof erreicht wird. 80 Km wurden heute zurückgelegt.
Nach einem Ruhetag wegen des schlechten Wetters im lebendigen Villach soll es mit frischer Kraft weiter das Drautal hinaufgehen. Ohne eine feste Zielvorstellung, einfach solange es Spaß macht Rad zu fahren. Das Wetter ist erneut nahezu ideal, sonnig und warm, aber nicht heiß. So fährt es sich leicht auf guten Wegen nach Spittal. Im Zentrum der Stadt vor dem Castello Porcia bietet der Schlosspark mit seinen alten Bäumen viel Schatten für eine stärkende Brotzeit.
Zwischen Villach und Spittal führen der Drau-Radweg und der Alpe-Adria-Radweg über die gleiche Route. In Spittal teilen sich die Wege. Dann kann es passieren, dass plötzlich auf dem anderen Radweg gefahren wird. Bei Möllbrücke findet man aber wieder ins Drautal zurück. Dahinter beginnt ein weiterer landschaftlich sehr reizvoller Abschnitt. Zwischen hohen Bergen leitet der Radweg fernab der Landstraße auf der ruhigeren, südlichen Seite der Drau. In Greifenburg bietet das Gleitschirmfliegercamp und der nahe Badesee die perfekte Umgebung für eine erholsame Rast. Gute 20 Km weiter, über welliges Terrain, wird Oberdrauburg erreicht. Nach einem letzten steilen Anstieg ist in Waidach die herzlich familiäre Herberge Stöcklmühl erreicht. Königsetappe mit 112 Km.
Heute stehen einige Bergaufkilometer bevor. Zunächst geht es gemächlich nach Lienz. Unterwegs hinter Unterpirkach könnte auch von der Hauptroute abgewichen werden. Auf der Drau-Südseite verläuft dort ein etwas ruppigerer Forstweg, bei dem auch eine Viehweide durchquert werden muss. Sicherlich ist diese Variante für Radfahrer nur eine Option bei trockenen Verhältnissen. In Lienz bietet sich ein kurzer Abstecher in die Innenstadt an.
Nach Lienz wird es Ernst. Der Radweg selbst ist bestens ausgebaut und bei durchweg gleichmäßiger Steigung nicht schwer zu bewältigen. Aber wer hinauf radelt, fährt gegen den breiten Strom der unzähligen Bergabroller, die am Ende den Zug zurück nehmen. An schönen Tagen ist auf diesem Streckenabschnitt krass viel los und die goldene Regel der Vorfahrt für den bergauf Radelnden scheint unbekannt. So ist viel Aufmerksamkeit erforderlich. In Sillian steht ein breites Verpflegungsangebot zur Verfügung.
Energiegeladen sind dann die letzten Kilometer bis nach Toblach eine Kleinigkeit. Kurz vor Toblach an einem rostfarbenen Kunstwerk zur Markierung der Wassserscheide Adria-Schwarzes Meer kann der unscheinbare Ursprung der Drau links abbiegend über einen Feldweg nach etwa 200 Metern erreicht werden. Als heimliche Hauptstadt des Hochpustertals ist das sonnige Toblach natürlich völlig vom Tourismus vereinnahmt und entsprechend hoch ist auch das Preisniveau. Mit allen Umwegen kamen am Ende 85 Km und 800 Höhenmetern zusammen.
Wer hinauf fährt muss auch wieder herunter kommen. Auf dem Rad geht
das leichter und schneller, zumal wenn der Himmel schon morgens
wolkenverhangen und die vorhergesagte Regenfront im Anrücken ist. In
Kiens könnte man sich bei riesiger Auswahl im geräumigen Gastbereich der
Konditorei Gatterer verpflegen. Kurz vor Mühlbach fängt es an zu regnen.
Die letzten 10 Kilometer bis zum Bahnhof in Franzensfeste sind dann kein
Vergnügen mehr. Viel Autoverkehr und eine manchmal unübersichtliche Wegführung kommen hinzu.
Außerdem drängt die Zeit, denn der Regionalzug zum Brenner mit Umsteigmöglichkeit
im Anschluss nach Innsbruck wartet um 13:45 bestimmt nicht. Wichtig ist
dabei für Österreich der Kauf einer Fahrradkarte. 65 Km. Tourkilometer Total: 644.
Fazit: Der Drauradweg verdient alle Lobeshymnen. Leichtradig zu befahren. Wege in guten Zustand. Wegweisung und Information umfangreich. Kein Mangel an Unterkunftsmöglichkeiten. Gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Macht Spaß und fordert auch in der verkehrten Richtung nicht allzuviel. Wünschenswert wäre vielleicht eine über die Ländergrenzen hinweg einheitliche Beschilderung.
© Norbert Pohl